Leuchtturmprojekt „Rad & Roll“

Die Idee, Inklusion als Verein öffentlich zu leben, entstand im Radsportverein Seerose Friedrichshafen, in dem die querschnittsgelähmte Jana Sohm, sowie die gehörlose Bianca Metz, „ihren“ Sport – eher unbeachtet – ausübten. Mit Kurt Lippert, dem Jugendtrainer im RSV, wurde jemand gefunden, der die Idee aufnahm, Vereinsinklusion in die Öffentlichkeit zu bringen!

Der passende Anlass fand sich schnell! Der Deutsche Gehörlosen Radsportverband suchte zu der Zeit händeringend einen Ausrichter für die Deutschen Meisterschaften im Straßenradsport, sowie im Einzelzeitfahren! Die Drei waren sich sofort einig, diese Veranstaltung an den Bodensee zu holen, - stellten jedoch schnell fest, dass das von einem Verein allein nicht zu stemmen ist!

Radmöglichkeiten vereint 

Es war Bianca Metz, die sich mit der Bitte um Unterstützung an den Gehörlosen Sportclub Friedrichshafen wandte, wo ihr umgehend Mithilfe zugesagt wurde. Dank der Hilfe des Stadtsportverbandes Friedrichshafen konnten weitere Sportvereine erfolgreich zur Teilnahme animiert werden. Die Skater vom „Speedteam Bodensee“, die Kunstradfahrer*innen des „RRMV Solidarität Friedrichshafen“, die Radballer des „RV Immergrün Ailingen“, sowie der Ideengeber, der „RSV Seerose Friedrichshafen“ sagten ihre Mitwirkung zu. Als tragende Säule brachte sich der Sportkreis Bodensee ein, deren Präsidentin Evi Leber, sich bis heute persönlich im Orgateam für „Rad & Roll“ engagiert!

Plattform „Rad & Roll“ – Die Vielfalt des Radsports

Die erste Veranstaltung war ein Kraftakt sonders gleichen.
Es waren während zwei Tagen verschiedene Wettkämpfe in den Disziplinen, Radsport Straße und Einzelzeitfahren, Handbikerennen, Radbiathlon, und Skaterrennen zu organisieren. Dazu kam ein ganztägiger Hallenbetrieb in der Ludwig Roos Halle in FN-Ettenkirch, der die Indoorsportarten Kunstradfahren und Radball zeigte, ebenso die Präsentationen zahlreicher, vom Sportkreis organisierter Selbsthilfegruppen. Vor der Halle wurde ein MTB-Parcours, sowie ein Gastronomieangebot offeriert.

Dies alles zu stemmen gelang nur und ausschließlich durch ein optimales Zusammenspiel des R & R-Orgateams. Hier waren und sind bei einem monatlich tagenden, sog. „Runder Tisch, die Vertreter aller teilnehmenden Vereine und Institutionen konzentriert. Hier mit dabei die beiden Paraathletinnen Jana Sohm und Bianca Metz - so wird bereits in der Planung Inklusion umgesetzt. Durch Wissenstransfer, präzise Vorplanung und klare Aufgabenzuweisungen garantierte das Planungsteam, dass Menschen mit und ohne Behinderungen auf gleicher Augenhöhe, gemeinsam miteinander Wettkampfsport betreiben konnten. Für die Veranstaltung waren immerhin ca. 200 ehrenamtliche Helfer*innen zu organisieren, die sich nicht nur, jedoch überwiegend aus Mitgliedern der teilnehmenden Vereine rekrutierten. 

Meisterschaften verschiedener Disziplinen

Jana Sohm, selbst durch einen Sportunfall querschnittgelähmt, war federführend in der Durchführung des Handbikerennens. Unter dem Dach des NHC (National Handbike Circuit) wurde in Ettenkirch ein Etappenrennen der NHC-Serie gefahren. In dieser höchsten nationalen Rennklasse ging es um Serienpunkte, mit denen sich die Teilnehmer*innen für den europäischen Handbikecup (European Handbike Circuit) qualifizieren konnten. Jana Sohm ließ es sich nicht nehmen, das Rennen selbst mitzufahren, welches sie als Siegerin ihrer Klasse abschloss! 

Siegerin wurde auch Bianca Metz! Die gehörlose Radsportlerin brachte ihr ganzes Wissen als aktive Lizenzfahrerin in die Orga der beiden Deutschen Gehörlosenmeisterschaften, Straße und Einzelzeitfahren ein. Beide Wettbewerbe schloss die damals amtierende Europameisterin souverän als Deutsche Meisterin der Gehörlosen ab!

Unter Regie des „Speedteam Bodensee“ wurden für die Speedskater aller Klassen, Etappenrennen des BaWü- und des Bayern-Inlinercups organisiert. Auf der Halbmarathondistanz traten die besten Fahrer*innen Süddeutschlands gegeneinander an, die sich mit ebenfalls startenden Topfahrer*innen aus der Schweiz und Liechtenstein zu messen hatten.
Kurioses Rennflair brachten die liechtensteinischen Speedskater ein, indem sie ihre Landesmeisterschaften kurzerhand in den R & R-Skaterrennen austrugen!

„Rad & Roll“ findet Beachtung 

Vereine, Kommunen, der Landkreis, Fachverbände, selbst der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Jürgen Dusel, sie alle gaben mit ideeller und finanzieller Unterstützung Anschub für das Experiment „Rad & Roll“, dass ohne externe Hilfe in diesem Umfang nicht durchführbar wäre.
Final krönte der württembergische Landesssportbund (WLSB), die Veranstaltung mit dem Förderpreis für ehrenamtliches Engagement!

In den Folgejahren wurde „Rad & Roll“ stetig ausgebaut. Mit mittlerweile insgesamt 200 Startern – davon über 50 jugendlichen und erwachsenen Menschen mit Behinderungen – konnte die Teilnehmerzahl bei nahezu gleichem Arbeitsaufwand verdoppelt werden. Das Radsport-Etappenradrennen des „Vier Länder Cups“, einer internationalen Jugendserie der Klassen U11 bis U17 kam dazu. 

Schutz des Weltklimas, Mountainbike, Deutsches Sportabzeichen und vieles mehr

Der Oberschwäbische Mountainbike Vielseitigkeitscup, kurz   OMV-Cup, veranstaltete in Tettnang, vorwiegend für Jugendfahrer*innen eine Etappe der in der Region angesiedelten Rennserie. 
An den Serienrennen in Tettnang auf der „Kiesstraße, nehmen auch jugendliche Sportler*innen mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen teil.

Neu aufgenommen in die Veranstaltung wird auf Initiative des Sportkreises, die Abnahme des Deutschen Sportabzeichens für Behinderte, Erwachsene, Kinder und Jugendliche.

„Contre le Montre“ in ihrer Reinform! 2022 stieß mit dem BaWü-Schülercup, die in Süddeutschland, qualitativ höchste Rad-Rennserie dazu. Der BaWü-Cup dient ambitionierten Jugendfahrer*innen als Sprungbrett in den Landes-, von dort in den Bundeskader. Entsprechend hochkarätig das Starterfeld, sowie die Zeitfahrrennen.  

2023 bekommt „Rad & Roll“ erneut Zuwachs.                   
In Tettnang und Friedrichshafen werden nach 2016, erneut die Deutschen Meisterschaften der Gehörlosen in den Einzeldisziplinen Straße und Einzelzeitfahren ausrichten. 

Eine weitere Bereicherung ist die Kooperation mit „Stadtradeln“: Organisiert wird das Stadtradeln vom Klima-Bündnis, - mit über 1.700 Mitgliedern in 26 Ländern Europas das größte kommunale Netzwerk, das sich für den Schutz des Weltklimas einsetzt. Die lokale Eröffnungsaktion am 6. Mai 2023 in Tettnang, wird zeitgleich mit der inklusiven Veranstaltung stattfinden.        

Die Intention von „Rad & Roll“, Sport und Inklusion zusammenzubringen, ist mittlerweile bundesweit vielbeachtet und dient als Pilotierung für andere ähnliche Inklusionsveranstaltungen in Deutschland! 

So wurde aus der Idee von drei Sportler*innen, ein von Gemeinsinn und Solidarität getragenes, einmaliges Projekt. 

Weitere Infos: 

Homepage: https://radundroll.wordpress.com/news-4/
Facebook:   https://www.facebook.com/radundroll.de/

 

Kurt Lippert und Cornelius Droop
(Projektleiter Rad & Roll 2017 – 2023)